Kumite

Allgemein

Der Begriff Kumite wird meistens mit Kampf übersetzt. Dabei besteht das Wort aus den Teilen Kumi = begegnen und Te = Hand/Technik. Eine bessere Übersetzung wäre somit „Begegnung mit den Händen“ oder „die Technik/Kunst der Begegnung“.

Bei einem Kampf ist hauptsächlich gewinnen das Ziel. Der Andere verliert. Bei einer Begegnung ist das Ziel die Verbindung. Es entsteht ein Kontakt, eine Bindung, Standpunkte werden aufgegeben und neu bezogen. Dadurch ergeben sich neue Sichtweisen/Blickwinkel. Ein beständiges Nachgeben und Verlagern des Gewichtes, bringen verbesserte Flexibilität und Beweglichkeit.

Damit eine Begegnung stattfinden kann, sollte der Andere nicht abgeblockt werden. Ein Annehmen und Respektieren des Gegenübers, und nicht ein Ego polieren sind gefragt. Somit können Berührungspunkte entstehen. Die Übung muss richtig dosiert sein, sonst ist ein Annehmen unmöglich.

Im Kumite können die gelernten Basisübungen mit einem Partner ausprobiert und auf ihre Funktion getestet werden. Erstmals werden die Ausübenden mit den Komponenten Distanz und Timing ganz direkt konfrontiert. Es gibt kein besseres Mittel, um die Effektivität der Techniken und das exakte Timing mit der richtigen Distanz zu testen, als mit einem angreifenden Partner in Kumite Übungen.

Aufbauend vom Kihon Kumite (stehende Grundschule), bis zum Jiyu-Kumite (völlig frei) existieren viele verschiedene Kumite Übungen (siehe folgende Seiten), damit jeder gemäss seinem Level in einer konstruktiven und positiven Art an seiner Wirksamkeit feilen kann.

 
Kihon-Kumite

Dies ist die einfachste Grundschulvariante der Kumite Übungen. Diese Übung wird stehend, meist im Heiko-Dachi, ausgeführt. Shiko-Dachi eignet sich natürlich auch sehr gut.

Kihon-Kumite fördert:

- Erstes Distanzgefühl der verschiedenen Techniken
- Timing abgestimmt auf Partner
- Wirksamkeit der Techniken
- Reaktion

Folgende Variationen sind möglich:

- Verteidiger führt nur eine Abwehrtechnik aus
- Verteidiger führt zusätzlich eine Gegentechnik aus
- Auf ein Kommando mehrere, evt. verschiedene  Angriffe ausführen, Verteidiger führt erst am Schluss  oder nach jedem Angriff eine Gegentechnik aus
- Abwechselndes Angreifen bei jedem Kommando
- Abwechselndes Angreifen mit Gegentechnik
- Mehrfache Angriffe abwechselnd mit Gegentechnik
- Unregelmässiges und überraschendes Kommando
- Ohne Kommando
- Alle obigen Übungen sind auch mit Tai-Sabaki (ausweichen) möglich


Sanbon-Kumite

Zusätzlich zum Kihon-Kumite wird diese Übung in Bewegung ausgeführt. Der Angreifer macht mit jedem Angriff einen Schritt auf den Verteidiger zu. Dieser bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung ohne die Distanz zwischen den Beiden zu verändern. Sanbon wird mit dreifach übersetzt. Meistens richtet sich jedoch die Anzahl der Wiederholungen nach dem zur Verfügung stehenden Platz.

Grundsätzlich ist Sanbon-Kumite in allen Ständen möglich. Weitaus am häufigsten wird diese Übung im Zenkutsu-Dachi ausgeübt. Die anderen Stände sollten trotzdem nicht vernachlässigt werden. Ebenfalls eine gute Variante  ist das Kombinieren verschiedener
Stände in einer Übung.

Sanbon-Kumite fördert:

- Richtige Distanz in der Bewegung einzuhalten, und wenn nötig diese anzupassen

Folgende Variationen sind möglich:

- Alle Möglichkeiten des Kihon-Kumite in verschiedenen Ständen und Richtungen
 
(Kihon-)Ippon-Kumite

Dies ist eine der wichtigsten Übungen für alle Levels. Sämtliche gelernten Stände und Techniken lassen sich in dieser Übung kombinieren. Ebenfalls lassen sich Würfe wunderbar einbauen. Die Vielfalt ist fast unendlich.
Die wichtigste Komponente in diesem Kumite ist das Timing, speziell das Warten auf den Angriff bis zum letzt möglichen Moment. Ein zu frühes Ausweichen ist ebenso falsch wie ein zu spätes. Es gilt so knapp und so wenig wie möglich auszuweichen.
Nach dem Ausweichen sollte der Verteidiger immer zur Mitte des Angreifers hin orientiert sein.

Ippon-Kumite fördert:

- Reaktion und Kampfgeist
- Warten auf den letzten möglichen Moment
- Tai-Sabaki (Ausweichen)
- Richtige Positionierung und Distanz
- Kontrollierte Anwendung der eigenen Techniken

Folgende Variationen sind möglich:

- Angriff oder Verteidigung mit zwei Techniken
- Abschluss der Verteidigung durch einen Wurf
- Angriff ohne Kommando
- Verteidiger steht in Han-Zenkutsu-Dachi
- Verteidiger mit Rücken zur Wand
- In einem Kreis mit mehreren Angreifern


Jiyu-Ippon-Kumite (semi free)

Zusätzlich zum Ippon-Kumite fördert diese Übung das Element des freien Bewegens. Die Distanz muss stets so gehalten werden, dass der Angreifer keine Technik ohne Schritt platzieren kann. Der Angreifer muss respektieren, dass auch der Verteidiger angreifen könnte. Beide Partner bewegen sich so, dass nicht ersichtlich ist, wer als nächstes angreifen wird. Nach erfolgtem Angriff und Verteidigung gilt es ohne Verlust der Konzentration den Gegner zu kontrollieren und wieder auf Distanz zu gehen. Dies wird vielfach sträflich vernachlässigt.

Jiyu-Ippon-Kumite fördert zusätzlich:

- Freies Bewegen und Positionieren in Kamae Position
- Distanz halten (nach Angriff), ohne Verlust der Aufmerksamkeit

Folgende Variationen sind möglich:

- Unregelmässiges Kommando für die  eine oder andere Seite
- Ohne Kommando
- Freie Wahl der Angriffstechnik
- Freie Wahl wer angreift
- Mehrere Angreifer
 
Jiyu-Kumite

Jiyu bedeutet Freiheit, frei sein. In Bezug zum Kumite bedeutet dies; freie Bewegungen, freie Angriffswahl. Ebenfalls kann jeder frei entscheiden, wann er Angreifer sein will.

Dies ist die schwierigste Stufe der Kumite Übungen. Damit das Jiyu-Kumite nicht im Chaos (Schlägerei) endet, ist das Beherrschen und Kontrollieren aller Techniken eine absolute Notwendigkeit.

Im Jiyu-Kumite müssen beide Partner vorsichtiger und wachsamer sein, als in den Basisübungen. Durch die höhere Intensität (beinahe realitätsecht) existiert zwischen den Partnern eine grössere Distanz. Die grosse Anspannung während dieser Übung ist sehr anstrengend. Es finden weniger Techniken statt, aber wenn, dann mit voller Kraft und Geschwindigkeit.
Jiyu-Kumite sind Spitzenbelastungen, die nur kurze Zeit aufrechterhalten werden können, denn bei nachlassender Konzentration besteht Verletzungsgefahr.

Im Jiyu-Kumite ist das Ziel durch Taktik und Strategie, den Gegner so zu steuern, zu manipulieren und zu verunsichern, dass er Fehler macht und somit Öffnungen preisgibt.
Diese gilt es dann mit einem einzigen wirkungsvollen Angriff, der auch aus mehreren Techniken bestehen kann, auszunutzen und eine Technik so zu platzieren, dass in einem Selbstverteidigungsszenario der Gegner ausser Gefecht gesetzt werden könnte. Im Wettkampfszenario gäbe es somit einen Punkt oder den Sieg.

Im freien Kumite wird durch psychologischen Druck, Täuschungen, mentale Stärke und gute Ausnützung der Platzverhältnisse der „Kampf“ oft vor der Ausführung der eigentlichen Technik bereits entschieden.


Jiyu-Kumite fördert:

- Überwindung der Angst
- Mentale Stärke
- Kreieren von Öffnungen
- Anwendung Kontertechniken

Folgende Variationen sind möglich:

- Einschränkung der möglichen Techniken
- Nur eine Seite darf angreifen
- Jede Partei nur ein Angriff
- Zeitlimite
- Platzbeschränkung

 
Randori

Der Begriff Randori  bringt das dosierte Miteinander sehr gut zum Ausdruck.
Randori bedeutet lockeres greifen. Ran = locker und Dori = greifen.
Somit ist Randori ein wechselseitiges Greifen auf einer lockeren Basis, damit eine Verbindung stattfinden kann.

Randori ist eine interessante Begegnung zweier Individuen. Damit die anfänglichen Schwierigkeiten, mit denen jeder zu kämpfen hat, überwunden werden können, ist es wichtig nicht gegeneinander zu trainieren. Dadurch sind beide Partner entspannter und können, ohne Angst vor Verletzungen, besser aufeinander eingehen.

Randori ist ein pausenloses Improvisieren. Durch das Loslassen fester Bewegungsmuster können Techniken besser auf verschiedene Partner abgestimmt werden.
Damit dies möglich wird, muss das Randori langsam aufgebaut werden. Wichtig sind auch vorbereitende Timing Übungen, wie Block-Schlag und Block-Kick Drills.

Die eigentliche Randori Phase sollte mit einem 1:1 Rhythmus begonnen werden. Dadurch erhält jeder Teilnehmer die Gelegenheit seine Technik auszuführen was zu weniger Zusammenstössen führt.

Randori ist eine sehr anspruchsvolle Übung, die nach anfänglichen Schwierigkeiten eine gute Gelegenheit bietet mit einem Partner während längerer Phasen ganz in der Gegenwart präsent zu sein.

Durch jahrelanges Üben sollten schliesslich alle Techniken kraftvoll, effektiv, perfekt kontrolliert, virtuos mit korrektem Timing und immer ändernden Kombinationen möglich sein.
Dies ist ein grosses Stück Arbeit. Mit etwas Durchhaltewillen fördert das Randori, jedoch sehr effektiv das kreative Element des Improvisierens, was sicher eine gute Belohnung für den geleisteten Einsatz ist.

Randori ist eine sehr gute Gelegenheit, über längere Zeit zusammen mit vielen verschiedenen Partnern, sich in einer lockeren Art zu perfektionieren. Der Partner ist dabei wie ein Spiegel. Sich selber zu verfeinern ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Zusammen mit einem Partner wird man sich sehr schnell all seiner Kanten und Ecken bewusst. Aus zwei Rohlingen entstehen, durch das Reiben und Schleifen aneinander, zwei polierte und facettenreiche Schmuckstücke.

Viele der gelernten Lektionen im Randori können auch im täglichen Leben umgesetzt werden. Das ganze Leben ist ein grosses und ständiges Randori. Ein lockeres Ergreifen/Begreifen der jeweiligen Situation und Gelegenheit.

Ausweichen, nachgeben, loslassen, bewegen, begegnen, auf den Partner sowie die Situation eingehen, keinen Widerstand geben, die Richtung und den Blickwinkel ändern, nicht dagegen ankämpfen, annehmen, umgehen, im Augenblick sein, Kontakt herstellen/halten, kein ich bin besser als du, spontan und positiv improvisieren, sind alles Themen sowohl im Randori Training als auch im täglichen Leben.
 
 Randori-Kumite

Wie bereits aus dem Namen ersichtlich, handelt es sich bei dieser Übung um die Kombination der stets fliessenden Bewegungen des Randori und eines einzigen wirkungsvollen Angriffs des Jiyu-Kumite.

Dies ist eine der anspruchsvolleren Partner Übungen, gilt es doch den Fluss zu bewahren und trotzdem den Partner mit „Killertechniken“ zu dominieren.

Die Intensität kann ständig und plötzlich von fliessend und ruhig zu schnell und explosiv wechseln.

Stimmt die Chemie zweier Partner, ist dies eine der schönsten und intensivsten Kumite Übungen überhaupt.

Um diese Übung konstruktiv auszuführen, braucht es sehr viel praktische Erfahrung und etwas Vertrauen, um die Anspannungen, die einem nicht erlauben frei zu sein, loszulassen.

 

Randori-Kumite fördert:

- Kombination vom fliessenden Randori und beherztem Kumite

- Gefühl von Realität, da nicht nur ein Angriff wie im Jiyu-Kumite

- Ideenreichtum, da alles möglich und erlaubt ist (natürlich in kontrollierter Art und Weise)

- Intensive Beziehungen